PART ONE

von Marco Klatt

„Damit der Jüngste keine Stolperfalle hat, soll sich die Front am unteren Auszug automatisch absenken“

Ich heiße Marco Klatt, bin 48 Jahre alt, verheiratet und habe 2 Kinder im Alter von 20 und 7.
Nach meiner Ausbildung zum Bau-und Möbeltischler im Jahre 1993 habe ich noch ein Fachabitur in Bautechnik abgeschlossen.

Im Anschluss an meinen Grundwehrdienst begann meine Laufbahn als Monteur im Fertighausbau. Nach sieben Jahren wechselte ich in eine Möbeltischlerei, in der ich den ersten Kontakt mit computergesteuerten Maschinen hatte. Die letzten acht Jahren war ich in einer Tischlerei in Nahe angestellt. Da ich im Leben aber noch mehr erreichen möchte, bin ich jetzt hier an der Meisterschule des ELBCAMPUS Hamburg.

PART ONE
Als Meisterstück habe ich ein Waschbeckenunterschrank aus geölter Eiche geplant, wobei die Kulissenvollauszüge und die Schubkästen selbst aus geöltem Ahorn hergestellt werden. Die einschlagenden Fronten aus Eiche werden farblich etwas abgesetzt.

Ich nenne mein Meisterstück PART ONE, weil es tatsächlich mein erstes Möbelstück ist, dass ich von Anfang an selber entworfen, geplant, gezeichnet und am Ende auch gebaut und eingebaut haben werde. Es ist eben mein erstes Stück.

Warum ein Waschbeckenunterschrank?
Wir wohnen jetzt fast drei Jahre in unserer Mietwohnung und es war gleich klar, hier im Bad muss etwas passieren. Allerdings waren auch noch ein paar Möbelteile über, die ihrem Zweck auch im Badezimmer dienen konnten. Es gibt von Anfang an Entwürfe, die aber immer wieder nach hinten geschoben wurden, denn Provisorien halten immer ewig. Funktioniert ja erstmal…
Jetzt ist aber der richtige Zeitpunkt gekommen, um das Badezimmer von dem Chaos zu erlösen und in einen zeitlosen und gemütlichen Ort zu verwandeln.

Erste Ideen waren schnell gefunden.
Wir brauchen auf jeden Fall zwei Wasserhähne und wenn der Jüngste einen Tritt hätte, wäre das auch nicht schlecht. Damit der Jüngste keine Stolperfalle hat, soll sich die Front am unteren Auszug automatisch absenken, wenn man ihn öffnet. Um mit diesem Möbel auch Stauraum zu schaffen, nutzen wir die maximale Breite, die der Raum uns bietet. Zwischen WC-Vorsatzschale und Duschkabine sind 1380 mm Platz und die Duschwand gibt eine maximale Tiefe von 500 mm vor. Durch die angestrebte Waschbeckenoberkante bei 880 mm, dem Rohrkanal am Boden von 140 mm und der Waschbeckenhöhe von 100 mm ergibt sich eine Schrankhöhe von 640 mm. Die Oberkante der Trittfläche wird der bekannten Tritthöhe von 250 mm angepasst. In der Breite wird der Schrank in drei gleiche Teile unterteilt, wobei der linke und der rechte Teil jeweils einen Schubkasten im oberen Bereich erhalten und der mittlere Teil den besagten Tritt. Da sich links neben dem Waschplatz das WC befindet, wird die linke Tür wider Erwartens rechts angeschlagen, weil hinter ihr Hygieneartikel und Ersatzrollen zu finden und zu erreichen sein sollen. Um den Unterschrank transportabler zu gestalten, will ich ihn zerlegbar herstellen, da wir als Familie einen Umzug in Wohneigentum anstreben.

Wie konstruiere ich den Schrank?
Um die Zerlegbarkeit zu gewährleisten, werden die Außenecken halbverdeckt gezinkt. Die Mittelseiten und die Zwischenböden werden klassisch gegratet. Die Mittelseiten halten den Ober- und Unterbodenboden zusammen, die gegrateten Zwischenböden die Seiten. Die Traversen werden an den kurzen und einer langen Seite eingenutet. Durch diese Konstruktion wird auch die Stabilität sichergestellt.

Die Blende des unteren Auszugs wird sich lose an gegrateten Klötzen auf und ab bewegen lassen, wobei die Länge der Gratnut den Weg nach unten begrenzt. Die obere Position der Blende wird durch Auflaufklötze gegeben sein. Wenn der Auszug geöffnet wird, bewegt sich die Blende durch ihr Eigengewicht kontrolliert nach unten, bis sie ihre untere Position erreicht hat. Genauso soll es beim Schließen geschehen. Die Kontrolle übernehmen dabei zwei selbst gefertigte Scheren, die einerseits beweglich an der Blende und andererseits an der Unterseite des Trittes geführt werden.

Die Schubkästen werden klassisch gezinkt, bekommen einen eingenuteten Boden und laufen an selbst hergestellten Vollauszügen aus Ahorn. Die oberen Schübe werden mit schwarzen Griffen und der untere mit Federschnapper zu öffnen sein. Auch die Türen kriegen einen Tip-On Beschlag und werden mit 3D-Einlassbändern von Kubikina angeschlagen.
Die um 110 mm vorgezogene Rückwand hinter der mittleren Tür wird durch Magneten gehalten, um den Zugang zu den Absperrhähnen und dem Siphon zu ermöglichen und diese trotzdem zu verstecken.

Die Oberfläche wird geölt. Eine geölte Oberfläche ist auf lange Sicht wertiger, weil die Oberfläche sehr kostengünstig und unsichtbar reparabel ist. Meine Wahl fällt hierbei auf die Öle der Firma HESSE. Als erste Schutzschicht gibt es eine Lage spezielles Schutzöl (WET-PROTECT-OIL OE 52068) für Hölzer in Feuchträumen. Als zweite Schicht für alle Teile bis auf die Fronten gibt es ein farbloses aber anfeuerndes Öl (SPEEDCARE-OIL OE 52872) und die einschlagenden Fronten werden hellgrau, fast weiß, aber bleiben dennoch transparent.

Noch ganz kurz was zum Baustil.
Ich orientiere mich immer gerne am BAUHAUS-STIL (1919 – 1933), weil er meines Erachtens nach, mit seinen geometrischen Formen und seiner auf Funktionalität ausgelegten Konstruktion, der zeitloseste und praktischste Baustil ist.
Bekannte Vertreter dieser Zeit sind Walter
Gropius (Gründer des staatlichen Bauhauses;), Johannes Itten, Marcell Breuer, Wassily Kandinsky und, neben vielen anderen, Erich Dieckmann. Dieckmann beschäftigte sich mit Stahlrohrstühlen und entwickelte die ersten kubistischen Typenmöbel im Rastermaß von 36 cm und ermöglichte so kostengünstige Serienproduktionen. Beispiele dafür sind der Mehrzweckschrank und die Einrichtung eines Kinderheimes um 1926 in meiner Heimatstadt Neuruppin.

Vielen Dank fürs Lesen und auf gute Zusammenarbeit

Marco Klatt

Meisterwerk von Marco Klatt 3
Meisterwerk von Marco Klatt 1

Das Meisterheft entsteht in Zusammenarbeit mit:
Juan Molina Foodphotography

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